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Das Radfahrer alle ein bisschen verrückt sind, ist allgemein bekannt. Wenn man sich dies jedoch offiziell besttätigen lassen will, so ist eine Möglichkeit, die Aufnahme in die Club des Cinglés (Verrückte) du Mont-Ventoux. Einzige Voraussetzung für die Aufnahme ist die Befahrung des Mt. Ventoux über die 3 asphaltierten Auffahrten aus Bedoin, Malaucene und Sault innerhalb eines Tages.

Seit ich im letzten Jahr davon gelesen hatte, ging mir dies nicht mehr aus dem Kopf. Für die Aufnahme in den Club muss man sich vorab im Internet registrieren und bekommt eine Stempelkarte zugeschickt, die auf dem Gipfel und an jedem Startort abgestempelt werden muss. Der Club muss noch vor Strava erfunden worden sein.

Im Frühjahr habe ich mich also schonmal registriert. Die Karte ist ja unendlich gültig, kann also auch im nächsten Jahr verwendet werden. Irgendwann auch schon mal ein Zimmer reserviert, kann ja auch noch storniert werden. Immerhin war kurz vor dem geplanten Termin auch noch das 24h-Rennen von Nortorf.

Der Mont Ventoux ist ein einsamer Berg in der Provence. Von den Daten sticht er nicht sonderlich aus den üblichen Anstiegen in den Alpen heraus. Gipfelhöhe knapp 2000m, die Anstiege überwinden auf einer Länge 20 bis 25 km einen Anstieg von 1200 bis 1600 Höhenmeter. Trotzdem gilt der Mt. Ventoux als etwas besonderes. Zum Mythos hat sicherlich auf der Tod von Tom Simpson auf einer Tour de France-Etappe beigetragen. Er war damals voll gedopt vom Rad gefallen und kurz vor dem Gipfel verstorben. Zum Anderen steht der Berg alleine in der Provence. Er ist schon von weiten zu sehen, sein baumloser, weisser Gipfel leuchtet in der Sonne und er sieht dann schon riesig aus, wenn man auf ihn zufährt.

Um den Mythos selbst zu erfahren, habe ich mich also in der letzten Woche auf den Weg nach Südfrankreich gemacht um den Mt. Ventoux eine Woche nach den Profis der Tour de France zu befahren. Die Organisatoren der Tour hatten aufgrund einer Sturmwarnung die Etappe verkürzt und die Fahrer nicht bis auf den Gipfel fahren lassen. Ich bin Mittwochabend in Malaucene angekommen. Es war Hochsommer in der Provence mit ca. 35°. Am Donnerstag also erstmal locker im Flachen etwas eingerollt. Auch das war aufgrund der Hitze schon anstrengend. Es musste erstmal ein neuer Plan für die 3 Auffahrten her. Ich hatte meine Beleuchtung mit, so dass ich mich dafür entschied, morgens um 1:00 Uhr aufzustehen und die ersten beiden Auffahrten in der Nacht und am frühen Morgen zu absolvieren und mir die letzte Auffahrt bis zum späten Nachmittag aufzuheben. Da ich abends nicht einschlafen konnte, habe ich den den Wecker doch erst auf zwei Uhr gestellt.

Um 2 Uhr also aufstanden, dass Rad eingeladen und zum geplanten Start nach Bedoin aufgebrochen. Draussen waren immer noch 25 Grad. Im Auto habe ich die ersten Blitze am Horizont gesehen. Kurz angehalten, um die Lage zu beurteilen: Nach allen Seiten waren Blitze am Horizont zu sehen. Ich habe mir dann überlegt, dass es sicher keine gute Idee ist, nachts bei einem Gewitter auf dem höchsten Punkt im Umkreis von bestimmt 100km zu stehen und bin umgekehrt und hab mich wieder ins Bett gelegt. Das die 3 Aufsteige noch klappen, erschien mir jetzt sehr unwahrscheinlich und ich hatte mich damit abgefunden, dass ich nach dem Aufstehen einmal zum Gipfel fahre, um wenigsten auf den Mt. Ventoux gewesen zu sein. Bis um sieben Uhr tobte dann auch wirklich ein Gewitter. Danach war es dann jedoch trocken und deutlich kühler geworden.

Also bin ich wieder ins Auto gestiegen und nach Bedoin gefahren und dort die erste Auffahrt begonnen. Bis zum Chalet Reynard führt die Straße durch Wälder. Es herrschten angenehme Temperaturen. Die Auffahrt hatte im Schnitt ca. 10% und es gibt keine flachen Bereiche dazwischen. Ab den Chalet ändert sich die Umgebung schlagartig. Ab hier beginnt die „Mondlandschaft“ für die der Mt. Ventoux berüchtigt ist. Es gibt kein Grün mehr und an Schatten ist nicht zu denken. Ich war wirklich froh, dass das heisse Wetter vom Vortag verschwunden war. Bei der großer Hitze muss dieser Bereich wirklich die Hölle sein. Und auch von dem Wind, für den der Berg bekannt ist, war nicht viel zu spüren. Also habe ich mich auf den Weg zum Gipfel gemacht.
Außer mir waren noch einige andere Radfahrer unterwegs. Einige kamen mir schon vom Gipfel entgegen.

Kurz nach dem Chalet kommt eine Quelle aus dem Hang, nochmal kurz die Flaschen aufgefüllt und auf zum ersten Endspurt. Kurz vom Gipfel befindet sich auch das Denkmal für Tom Simpson. So kurz vor Gipfel kann ich seine angeblichen letzten Worte „setzt mich wieder auf mein Rad“ verstehen. Aufgeben ist hier oben keine Option mehr. Die letzten Serpentinen waren so dann auch bald geschafft und ich stand das erste Mal auf dem Gipfel des Mt. Ventoux. Wirkliche Freude kam nicht auf, es sollten ja noch 2 Auffahrten folgen. Also schnell die Jacke an, den Stempel abgeholt und kurz die Aussicht genossen. Es war leicht diesig, aber man konnte endlich sehen, wie hoch dieser Berg ist und wie klein die Dörfer unten wirken.
Die Abfahrt nach Malaucene verlief ohne Zwischenfall, nur das Gefühl, dass ich hier gleich wieder hoch muss, trübte den Abfahrtsspass. In Malaucene den 2. Stempel geholt und ins Hotel gefahren und erstmal etwas gegessen.
Um 10:30 Uhr habe ich mich dann zum 2. Mal auf dem Weg zum Gipfel gemacht. Etwa auf der Hälfte des Anstiegs fing es an zu regnen, es wurde immer dunkler und es begann wieder zu donnern. Also hab ich besonders auf Möglichkeiten zum Unterstellen entlang des Weges geachtet. Es waren ein paar Häuser vorhanden, zu denen ich hätte wieder abfahren können. Diese Möglichkeiten wurden zum Gipfel immer seltener. An den letzen Kilometern vor den Gipfeln gab es gar nichts mehr und das Donnern wurde immer mehr und auch ein paar Blitze waren schon zu sehen. Also gab es nur noch die Möglichkeit, möglichst schnell zum Gipfel zu kommen. Also Schluss mit Taktik und Treten, was die Beine hergaben. Als ich aus der letzten Kurve vor dem Gipfel kam, blitzte es direkt neben mit. Der Donner war sofort zu hören. Der Blitz muss direkt in den Turm auf dem Gipfel eingeschlagen sein. Es war so viel Spannung in der Luft, dass sich meine Arme verkrampften. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Also schnell zu den Gebäuden und erstmal untergestellt. Die Abfahrt nach Bedoin und Sault auf der anderen Bergseite lagen noch im Sonnenschein. Dies änderte sich aber innerhalb von ca. 20 Sekunden. Urplötzlich zog Nebel (oder sind das hier schon Wolken?) über den Bergkamm. Die Sicht betrug plötzlich nur noch 10m und es war auch noch nur noch 12° warm (oder kalt). Mein Rücklicht hatte ich morgens wieder abgebaut, so dass ich mich komplett durchnässte und frierend ohne Sicht auf die Abfahrt machte. Zum zweiten Mal an diesen Tag erklärte ich das Vorhaben für gescheitert. Ich wollte nur noch warm duschen und ab ins Bett. 2 Mal Mt. Ventoux an einem Tag ist auch eine super Leistung und durch einen Blitz erschlagen zu werden bestimmt auch nicht so toll. Also nicht nach Sault abgefahren, sondern nach Bedoin zum Auto.

Am Auto angekommen, hatte es aufgehört zu regnen und hier unten war es auch wieder etwas wärmer. Als ich mich noch einmal zum Mt. Ventoux umdrehte, traute ich meinen Augen kaum. Über den Gipfel war blauer Himmel und der Turm glitzerte in der Sonne. Der Berg wollte mich wohl verarschen. Das wollte ich dann doch nicht zulassen.

Also schnell den Stempel in Bedoin abgeholt, dass Rad ins Auto und Sault ins Navi eingegeben. Es schien mittlerweile wieder die Sonne. Von Bedoin nach Sault waren es ca. 40km mit dem Auto. Normalerweise wäre ich ja direkt vom Gipfel mit dem Rad nach Sault gefahren, aber durch den geplanten Abbruch musste ich jetzt diese Transferstrecke zurücklegen. Dies hatte auch den Vorteil, dass ich bei einen erneuten Wetterumschwung einfach zum Auto zurückrollen konnte und nicht erst über den Gipfel (oder zu mindest bis zum Chalet Reynard) musste. In Sault angekommen, habe ich mir zuerst den letzten Stempel geholt. Die Karte war somit schonmal fertig und konnte sicher im Auto verstaut werden. Mit Beginn des Anstieges fing es natürlich auch wieder an zu regnen. Die Auffahrt von Sault gilt als die einfachste. Dies trifft auf den Bereich bis zum Chalet Reynard auch zu. Die Strecke ist länger als die anderen beiden Auffahrten, hat aber weniger Höhenmeter. Ab den Chalet Reynard ist es aber die selbe Strecke wie der Aufstieg von Bedoin. Ich wusste also was kommt und der Gewitter-Schluss-Sprint der zweiten Auffahrt hatte viele Körner gekostet. Die letzten Kilometer, teilweise mit Nieselregen, zogen sich extrem. Der letzte Kilometer dauerte gefühlt Stunden. Aber auch er ging irgendwann vorbei und ich stand das letzte Mal auf dem Gipfel. Hier waren noch ein paar andere Rennradler, die ich heute öfter gesehen hatte. Ich bin also nicht der einzige Verrückte. Die Meisten waren mit Begleitfahrzeugen unterwegs und haben sich die Abfahrten erspart und sind mit dem Auto talwärts gefahren. Diesen Luxus hatte ich nicht, so dass ich mich auf die letzte Abfahrt des Tages machte. Außerdem steht ein D in DDMC ja immer noch für Downhill. In der Ebene schien auch wieder die Sonne und am Auto war es dann auch wieder angenehm warm. Es war geschafft und endlich stellte sich auch dieses Gefühl der Zufriedenheit ein. Der Mt. Ventoux war geschafft, obwohl er alles dagegen tat. Es ging dann mit den Auto wieder ins Hotel. Malaucene ins Navi eingegeben und gestartet. Der Weg kam mir bekannt vor: Der Golf wollte auch noch einmal über den Mt. Ventoux. War wohl der kürzeste Weg. Bei dieser Überfahrt fiel natürlich nicht ein einziger Tropfen Regen vom Himmel.

Wenn ein Berg einen Charakter hat, dann ist der Mt. Ventoux ein 1909m grosses A…-Loch!!

Für noch Verrücktere gibt es übrigens noch die Möglichkeit, die 3 Asphaltauffahrten plus eine Auffahrt mit dem MTB an einen Tag oder für ganz Verrückte die Option, die 3 Asphaltauffahrten jeweils 2 x an einem Tag zu absolvieren.

Gallerie zum Bericht:

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